Ostergruß von Pfarrer Albert Miorin

Liebe Leserin, lieber Leser!

Irgendwann bin ich nachts aufgewacht – und es war klar: Als Titelbild für den neuen Kompass zur Fasten- und Osterzeit hätte ich gerne einen oder mehrere Esel. Warum, weshalb, wieso …? Ich weiß es bis heute nicht. Aber es kamen dann immer mehr Ideen und Gedanken dazu. Ich weiß nicht, was Sie sich ganz spontan gedacht haben – aber wenn sie Lust haben, lassen Sie es mich wissen.

Matthäus berichtet vom Geschehen des Einzugs Jesu in Jerusalem Folgendes:

Als sie sich Jerusalem näherten und nach Betfage am Ölberg kamen, schickte Jesus zwei Jünger aus und sagte zu ihnen: Geht in das Dorf, das vor euch liegt, dort werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Fohlen bei ihr. Bindet sie los und bringt sie zu mir! Und wenn euch jemand zur Rede stellt, dann sagt: Der Herr braucht sie, er lässt sie aber bald zurückbringen. Das ist geschehen, damit sich erfüllte, was durch den Propheten gesagt worden ist: „Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist sanftmütig und er reitet auf einer Eselin und auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers.“

Die Jünger gingen und taten, wie Jesus ihnen aufgetragen hatte. Sie brachten die Eselin und das Fohlen, legten ihre Kleider auf sie und er setzte sich darauf. Viele Menschen breiteten ihre Kleider auf dem Weg aus, andere schnitten Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. Die Leute aber, die vor ihm hergingen und die ihm nachfolgten riefen: „Hosanna, dem Sohn Davids! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe!“ Als er in Jerusalem einzog, erbebte die ganze Stadt und man fragte: Wer ist dieser? Die Leute sagten: Das ist der Prophet Jesus von Nazaret in Galiläa.

Es begann also durchaus Erfolg verheißend… Der Esel galt als Symbol für Vornehmheit und nicht für Armut oder Einfachheit. Der Esel begegnet uns in der Bibel als Last-, Zug- und Reittier schlechthin. Er ist überall einsetzbar. Ein zahmer Esel mit möglichst hellem, am besten weißem Fell, wurde das bevorzugte Reittier eines neuen Königs. „Der Herr braucht sie!“ So sagt uns der Evangelist Matthäus. Er braucht die beiden Tiere um deutlich zu machen, wie er Jesus versteht: als König und als Messias. Die Begleiterinnen und Begleiter Jesu werden über diesen Triumphzug, der sich da spontan ergab, gestaunt haben.

Vielleicht ist der Esel mit all seinen ihm zugesagten Eigenschaften aber auch ein Bild für uns selber … Und dann wird der Satz: „Der Herr braucht ihn/sie!“ doppelt interessant. Vielleicht taugt der Esel gerade wegen seiner Eigenschaften, die auch uns gut stehen: friedfertig, auf Kampf verzichtend, bescheiden, manchmal störrisch und stur, belastbar, anspruchslos, einsatzbereit…

Im Jahr 1856 machten Forscher auf dem Palatin-Hügel in Rom eine spannende Entdeckung. Ein Kreuz war auf ganz primitive Art und Weise in eine Wand geritzt worden. Ein Bub erhebt grüßend und betend die Hand zum Kreuz hin. Am Kreuz hängt ein Mann. Sein Kopf ist ein Eselskopf. Darunter steht in ungelenken Buchstaben: „Alexamenos betet (seinen) Gott an!“ Eine Karikatur, ein Spottkruzifix. Wissenschaftler datieren die Entstehung auf die Zeit zwischen 123 und 126 nach Christus. Eines der frühesten Kreuzbilder. Gott am Kreuz? Dieser Gott muss ein Esel sein – und wer ihn anbetet, zu ihm hält, ihm nachfolgt, ist es auch! So dürfte die Botschaft gemeint sein.

Die Vorstellung, dass Gott am Kreuz stirbt, passt nicht nur nicht in die damalige Zeit, sie passt auch heute nicht. Sie ist und bleibt ein Skandal, ein Ärgernis. Am Karfreitag werden wir sie dennoch dankbar feiern. Wir haben die Wahl. Jesus am Kreuz – man kann ihn verachten oder an ihn glauben, ihm in der persönlichen Hingabe aus Liebe folgen oder egoistisch und egozentrisch, lieblos in dieser Welt leben. Man kann das Heil bei anderen Heilsbringern suchen, als Humanist leben, ja, die Sinnstiftungen und persönlichen Lebenswege moderner Menschen sind ganz vielfältig und unterschiedlich…

Der Frankfurter Pfarrer Lothar Zenetti, Jahrgang 1926, stellt sich im folgenden Text Äußerungen eines Menschen von heute und formuliert:

Sag mal, fragt er mich
mitleidig lächelnd:
Glaubst du im Ernst noch,
dass es das gibt – einen Gott?
Aber ja, sage ich daraufhin:
Schon damit dieser Gott
nicht den Glauben verliert,
dass es noch Menschen gibt.

Gott, wenn er allmächtig ist, müsste doch,
sagst du, all das Unrecht verhindern,
dreinschlagen müsste er einfach mal
richtig und … Stimmt, sag ich dann,
das müsste er wohl. Doch seien wir
froh, dass er es nicht tut; so sind wir
beide, so wie es aussieht, trotz
allem noch immer am Leben.

Mancher verliert seinen Glauben
wie einen Schirm ganz nebenher.
Man achtet nicht weiter darauf,
weil es gerade nicht regnet;
und lässt ihn irgendwo liegen. –
Bei schlechtem Wetter, wenn man ihn
brauchte, den Schirm, ist er dann
plötzlich nirgends zu finden.

Sie hatte mir gesagt:
Ich kann nicht mehr so recht
auf einen Gott vertrauen.
Meine Zweifel sind stärker. –
Ach ja?, sag ich. Bei mir
ist´s umgekehrt:
Ich kann nicht mehr so recht
auf meine Zweifel bauen.
So mit den Jahren wird das
Gottvertrauen stärker.

Wie kommen wir bloß an den Glauben?
Die Gläubigen geben ihn meistens
nicht her: ich lass mir, heißt´s
meinen Glauben nicht nehmen.

Ich glaube alles, meint er,
das ganze Credo, Herr Pfarrer,
von hinten bis vorn.
Auch dass dich Gott liebt? –
Nein, also das – glaube ich nicht.

Es ist alles Schwindel, sagst du,
ich glaube nichts mehr. Und glaubst
dabei doch, dass du Recht damit hast.
Und ähnlich glauben die meisten,
die nichts mehr glauben, durchaus
an sich selbst, grad wie an ein Dogma
und so unfehlbar, dass es mir schwindelt.

aus: Lothar Zenetti, Auf seiner Spur, TEXTE GLÄUBIGER ZUVERSICHT, Grünewald 2014

Ich glaube, es lohnt sich, das eigene Verhalten und Denken immer wieder kritisch anzuschauen, zu hinterfragen…, damit wir nicht die „Eselei“ begehen, Gott aufzugeben, uns seinem Werben verschließen, seiner Liebe entziehen. Der Herr braucht uns um von unserem Glauben und unserer Hoffnung Auskunft zu geben, bescheiden, treu, zuverlässig, unaufdringlich, einfühlsam, achtsam und bestimmt. Vielleicht finden wir, vielleicht finden durch uns andere dann zur Freude über Gott, zum Jubel über sein Wirken, zur Dankbarkeit für seine Hingabe aus Liebe.

In diesem Sinne: Frohe, gesegnete Ostern!

Und wenn wir uns selber manchmal als Esel vorkommen, weil wir immer wieder die Lasten anderer mittragen, eigene Ansprüche zurückstellen und einfach ganz selbstverständlich unseren Dienst tun und füreinander da sind, dann sind wir in einer guten Spur!

Herzlich grüßt, im Namen des ganzen Teams Ihrer Pfarrgemeinde St. Johannes
Ihr Pfarrer
Albert L. Miorin

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